Wie funktioniert ein Wettbewerb?
Stellen wir uns ein Turnier vor, wie etwa ein Ranglistenturnier. Korrekterweise sollten wir von einem "Wettbewerb" sprechen, denn unter "Turnier" versteht man eine ganze Veranstaltung, die mehrere Wettbewerbe enthalten kann.
Vorrunde:
Wir haben eine gewisse Anzahl Fechter, es mögen vielleicht 70 sein. Dann teilen wir die Fechter zunächst in möglichst gleich große Gruppen für die sogenannte Vorrunde ein. Die Gruppen sollten nicht weniger als fünf Fechter haben, damit jeder mindestens vier Gefechte zu machen hat; aber auch nicht mehr als sieben, sonst dauert die Runde zu lange. Bei 70 Teilnehmern empfehlen sich zehn Gruppen zu je sieben Fechtern. Bei 105 Fechtern teilen wir 15 Gruppen zu sieben ein. Vielleicht haben wir auch eine krumme Anzahl Teilnehmer, zum Beispiel 62. Dann stellen wir acht Sechser- und zwei Siebener-Gruppen auf. Wir brauchen also zehn Fechtbahnen.
Eine aktuelle Landesrangliste oder deutsche Rangliste hilft uns, die Turnierfavoriten gleichmäßig auf die Gruppen zu verteilen. Außerdem sollte nie mehr als ein Fechter vom selben Verein (bei internationalen Turnieren aus demselben Land) in einer Gruppe sein. Das geht natürlich nicht immer. Wenn wir zehn Gruppen haben, aber einen Verein mit zwölf Teilnehmern, dann wird es eben zwei Gruppen geben, wo je zwei Vereinskollegen zusammen fechten. Die müssen dann aber das allererste Gefecht gegeneinander machen.
Das Tableau
Jedem Teilnehmer wird eine Zeile und eine Spalte zugeordnet. In seiner Zeile werden seine Siege mit einem V (von französisch "victoire") und seine gesetzten Treffer eingetragen, jeweils in der Spalte dessen, gegen den er sie gesetzt hat.
Beispiel:
Vier "V" in Zeile 1 bedeuten, dass Fechter Axel vier Gefechte gewonnen hat. Ein "V" ohne eine Zahl bedeutet, dass hier mit fünf Treffern gewonnen wurde. Das Gefecht gegen Klaus hat Axel mit 3:2 Treffern gewonnen. Hier waren die drei Minuten Gefechtszeit um, bevor einer der beiden fünf Treffer gesetzt hatte. Axel lag zu diesem Zeitpunkt mit 3:2 in Führung, oder es stand 2:2 und er hat in der Verlängerungsminute den entscheidenden dritten Treffer gesetzt. Deshalb wird in diesem Fall "V3" eingetragen. Seine einzige Niederlage erhielt Axel von Gert mit 3:5. Deshalb steht in Gerts Zeile ein "V" unter der Nummer 1, also in der Spalte von Axel.
Jetzt kann man die Runde ausrechnen:
Axel hat also vier "V", das macht 4 Siege. Er hat vier von fünf Gefechten gewonnen, das macht Index 0,80 (vier geteilt durch fünf, oder anders ausgedrückt: Er hat 80 % seiner Gefechte gewonnen). Er hat drei Siege mit fünf Treffern, noch einen mit drei Treffern und eine Niederlage mit drei Treffern, das macht 21 gegebene Treffer. Jetzt die Gegentreffer von Axel, die stehen in Spalte1: 2+0+2+3 = 7, plus das "V", das sind noch mal fünf, also zusammen 12 Gegentreffer. 21 gegebene Treffer minus 12 erhaltene Treffer = Differenz 9.
Über die Platzierung in der Runde entscheidet die Anzahl der Siege. Wenn zwei Fechter gleich viele Siege haben, entscheidet die Trefferdifferenz (Gegebene Treffer minus erhaltene Treffer). Wenn auch die gleich ist, entscheidet, wer mehr Treffer gegeben hat. Deshalb haben wir in dieser Runde folgende Reihenfolge:
1. Axel 4 Siege
2. Gert 3 Siege, Diff. +1
3. Josef 3 Siege, Diff. -1
4. Hans 2 Siege, Diff. -3, Geg. 19
5. Alois 2 Siege, Diff. -3, Geg. 18
6. Klaus 1 Sieg
Aber wozu brauchen wir den Index? Ganz einfach: Wir erstellen jetzt eine Liste aus ALLEN Turnierteilnehmern aus ALLEN Gruppen. Und da sortieren wir die Fechter nicht nach der Anzahl der Siege, sondern nach dem Index, weil wir ja vielleicht ein paar Sechsergruppen und ein paar Siebenergruppen hatten. Wenn nämlich ein Fechter in einer Sechsergruppe vier von seinen fünf Gefechten gewinnt, hat er wie Axel einen Index von 0,8 und steht in der Liste vor einem anderen Fechter, der in einer Siebenergruppe auch vier Gefechte gewonnen hat. Denn in einer Siebenergruppe muss er ja sechs Gefechte machen. Und vier geteilt durch sechs macht ja nur einen Index von 0,67.
Oder anders ausgedrückt: Er hat gleich viele Siege, aber mehr Niederlagen. Wenn in unserer Liste also zwei Fechter den gleichen Index haben, dann steht derjenige weiter oben, der die bessere Trefferdifferenz hat.
Zwischenrunde
Nach den Ergebnissen aus der Vorrunde haben wir jetzt eine Indexliste mit unseren 62 Teilnehmern. Davon müssen zunächst einige ausscheiden, denn wir wollen später ein K.O. mit 32 Fechtern durchführen.
Aber das Reglement sagt: Im Rundensystem darf höchstens ein Drittel ausscheiden. Wir müssen also noch eine Zwischenrunde anschließen. Dazu nehmen wir die Top 48 aus unserer Indexliste und verteilen sie in acht Sechsergruppen. Und zwar von oben nach unten: Die Nummern eins bis acht unserer Indexliste in die Gruppen eins bis acht, das gleiche mit den Nummern neun bis 16 (beginnend in Runde 8) und mit den Nummern 17 bis 24 und so weiter. Dadurch bekommen wir ausgeglichen starke Gruppen. Die Fechter 49 bis 62 unserer Indexliste sind somit nach der Vorrunde aus dem Turnier ausgeschieden.
Wenn die Gruppen ihre Zwischenrunde beendet haben, erstellen wir aus den Zwischenrundenergebnissen wieder eine neue Indexliste. Daraus kommen dann die besten 32 in die Direktausscheidung (KO).
Direktauscheidung
Jedes Gefecht geht ab jetzt auf 15 Treffer bei maximal 3 x 3 Minuten Gefechtszeit.
Unsere im Turnier verbliebenen 32 Fechter sortieren wir nun noch einmal neu. Und zwar per Indexliste, in der wir die Siege und Gefechte und die Treffer aus den letzten beiden Runden, also hier sowohl der Vorrunde als auch der Zwischenrunde, zusammen zählen. Damit erhalten wir unsere Setzliste fürs K.O.:
Jetzt muss der Schlechteste in dieser Setzliste gegen den Besten kämpfen, der Zweitschlechteste gegen den Zweitbesten und so weiter. Dabei kann man anhand der ausgehängten Setzliste ganz schnell selbst die Paarungen für das 32er-K.O. ermitteln, denn die Nummern jeder Paarung ergeben in ihrer Summe immer 33. Je besser man also in der Vor- und Zwischenrunde gefochten hat, desto leichter wird der Gegner, den man im ersten K.O. bekommt. Aber Vorsicht! Das ist keine Garantie. Es hat auch schon öfters die Nummer eins gegen die Nummer 32 verloren.
Wie geht es weiter?
Der Sieger von 1 gegen 32 ficht dann im zweiten K.O.-Gefecht gegen den Sieger von 16 gegen 17. Die Verlierer treten im Hoffnungslauf gegeneinander an. Also fechten die beiden Äußeren der Setzliste dann gegen die beiden Mittleren. Bei diesem System kann die Nummer eins erst im Finale (im Fechten die besten Acht) auf die Nummer zwei treffen. Sollten zwei Fechter im Hoffnungslauf aufeinander treffen, die sich bereits im Hauptlauf des K.O. schon einmal gegenüber standen, dann wird "geschoben": Der niedriger gesetzte Fechter tauscht mit dem nächstniedrigeren innerhalb derselben Hoffnungslaufrunde das Gefecht. Ausnahme ist, wenn durch das Verschieben ein anderes Wiederholungsgefecht entstehen würde. Ab der Runde der besten Acht wird nicht mehr geschoben.
Ein normales K.O. kennt man vom Tennis. Wer das Match gewinnt, kommt in die nächste Runde. Der Verlierer scheidet aus. Im K.O. mit Hoffnungslauf scheidet man nicht nach einer, sondern erst nach zwei Niederlagen aus. Prinzip: Wer zwei Mal verliert geht duschen!
Bei Weltcup-Turnieren und Weltmeisterschaften sowie bei Olympischen Spielen gibt es keinen Hoffnungslauf.
Die Platzierungen
Wer landet auf welchem Platz?
Die Ausscheider jeder Runde sowohl im Finale als auch im 32er-K.O. fechten die weiteren Platzierungen normalerweise nicht aus. Sie werden stattdessen nach der Reihenfolge der Setzliste geführt. Wer also in der zweiten Hoffnungslauf-Runde verliert bekommt einen der Plätze 17 bis 24. Welchen Platz er bekommt, hängt davon ab, welche Nummern der Setzliste mit ihm in derselben Runde ausscheiden.
Das Finale
Das 32er-K.O. mit Hoffnungslauf ist beendet. Acht Fechter sind bei unserem Turnier noch im Wettbewerb. Vier sind im K.O. ohne Niederlage geblieben und haben das Finale direkt über den Hauptlauf erreicht. Die anderen vier mussten eine Niederlage und damit den längeren Hoffnungslauf hinnehmen.
Im Finale heißt es nun hopp oder top. Wer jetzt verliert ist entdgültig ausgeschieden. Wir erstellen aber zunächst eine neue Setzliste für das Finale. Die Finalisten aus dem Hauptlauf sind in ihrer Reihenfolge aus der 32er-Setzliste die neuen Nummern eins bis vier, die Finalisten aus dem Hoffnungslauf bekommen die Nummern fünf bis acht. Die Paarungen sind nun 1-8, 2-7, 3-6 und 4-5.
Die Sieger dieser Paarungen erreichen das Halbfinale. Dort trifft der Sieger aus 1-8 auf den Sieger aus 4-5, der Sieger aus 2-7 setzt sich mit dem Sieger aus 3-6 auseinander. Die Sieger beider Halbfinalgefechte bestreiten dann den Endkampf um Platz eins und zwei.
Bei der abschließeden Siegerehrung werden bei den meisten Turnieren die acht Finalisten geehrt.
Texte: Steffen Eigner