Rollstuhlfechten

Die Geschichte des Rollstuhlfechtens

Seit 1962 gibt es Rollstuhlfechten in Deutschland. Fechtmeister Richard Heimke fing mit Säbel-Unterricht an, zwei Jahre später kamen Degen und Florett dazu. Rollstuhlfechten wurde im Jahr 1964 ins paralympische Programm aufgenommen. Seit 1985 wird das Fechten innerhalb des DRS auch von Damen betrieben.

Die deutschen Rollstuhlfechter zählen seit vielen Jahren zur absoluten Spitze. Bisheriger sportlicher Höhepunkt waren die Europameisterschaften 1985 in Foggia, bei denen in der Herrenkonkurrenz 10 von 11 möglichen Goldmedaillen gewonnen werden konnten.

Zum ersten Mal in der Geschichte des Fechtsports wurden im Jahr 2006 die Weltmeisterschaften der Fecht-Fußgänger und der Rollstuhl-Fechter gemeinsam und gleichzeitig ausgetragen. Rechtzeitig dazu haben der Deutschen Fechter-Bund und der Deutsche Rollstuhlsport Verband - Fachbereich Rollstuhlfechten - eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. Beide Verbände wollen eine noch bessere Integration erreichen: Sport verbindet, und die FechterIinnen leben es vor. 

Das Reglement im Rollstuhlfechten

Die Regeln des Rollstuhlfechtens sind analog denen des Fechtens Nichtbehinderter (FIE-Regeln). Bei Florett und Degen kann nur mit der Spitze, beim Säbel mit der ganzen Klinge ein Treffer gesetzt werden. Beim Degen zählt der Treffer, der zuerst gesetzt wurde (bei weniger als einer 1/25 Sekunde Unterschied gibt es einen "Doppeltreffer"). Bei Florett und Säbel kann nur der Fechter punkten, der zuerst angreift. Der Gegner muss erst abwehren ("parieren"), bevor er selber punkten kann.

Folgende Regeländerungen und -ergänzungen gibt es gegenüber den FIE-Regeln:

Sitzposition der Fechter zueinander

Die Fechter bewegen sich nicht - wie allgemein immer wieder vermutet - mit dem Rollstuhl über die Fechtbahn, sondern sind in "Fechtgestellen" festgeschnallt.

Das Gestell besteht aus Schienen, in die die Fechter hinein fahren. Die Schienen beider Fechter sind mit einer Querstange miteinander verbunden. Der Winkel zwischen Querstange und Schiene beträgt 110° (+/- 2°). Je nachdem, ob sich zwei Rechtshänder, zwei Linkshänder oder je ein Rechts- und ein Linkshänder gegenübersitzen, befinden sich die Gegner auf der gleichen oder gegenüberliegenden Seite der Querstange.

 

 

Abstand der Fechter

Der Abstand zwischen den Fechtern wird aufgrund der Armlänge bestimmt. Bei Degen und Säbel wird der Abstand so gewählt, dass der Fechter bei ausgestrecktem Arm und aufrechtem Sitz mit der Spitze seiner Waffe gerade den Ellenbogen des Gegners berührt, der seinen Arm im rechten Winkel in Richtung des gegnerischen Fechters hält.

Beim Florett wird die Distanz etwas kleiner gewählt: Hier gilt nicht der Ellenbogen, sondern die Ellenbeuge. Mit Hilfe der Querstange des Fechtgestells kann der Abstand entsprechend eingestellt werden. Bei zwei Fechtern mit unterschiedlicher Armlänge darf der Fechter mit dem kürzeren Arm eine Distanz wählen, die im Bereich zwischen seinem Abstand und dem Abstand seines Gegners liegt.

 

 

Trefferfläche

Die Trefferfläche bei Florett- und Säbelwettkämpfen ist die gleiche wie im Nichtbehindertenbereich: im Florett gilt als gültiger Bereich der Rumpf, beim Säbel gehören außer dem Rumpf noch Arme und Maske dazu. Zur Trefferanzeige dient bei Florett und Säbel jeweils eine leitende Brokatweste.

Beim Degenfechten ist nicht - wie bei den Nichtbehinderten üblich - der gesamte Körper Trefferfläche, sondern die Beine werden ausgeschlossen. Die Treffer können also nur oberhalb der Hüfte gesetzt werden. Beim Degen wird der Bereich unterhalb der Hüfte durch eine geerdete Brokatdecke abgedeckt.

 

Fechtstellung bei Beginn

Da die Rollstuhlfechter im Gegensatz zu den Fußgängern zu Beginn einen Abstand haben, der ihnen sofort einen Treffer ermöglicht, ist die Ausgangssituation reglementiert. Nach dem "Fertig"-Signal des Obmanns darf keiner der beiden Fechter seine Klinge mehr bewegen. Bei Verstoß oder vorzeitigem Beginn wird dies mit einer Verwarnung 1. Ordnung bestraft.

Als Ausgangsstellung dürfen bei Florett und Degen die Klingen nicht über die Glocke des Gegners hinausragen, beim Säbel dürfen sich die Klingen nicht kreuzen. Ebenso ist ein Berühren der Klingen vor dem "Los"-Signal des Obmannes nicht erlaubt.

 

Klassifizierung nach Behinderungsart und -grad

Im Prinzip darf jeder am Rollstuhlfechten teilnehmen, der durch eine dauerhafte Einschränkung Nachteile beim nicht-behinderten Fechten hat. Dazu zählen also nicht nur Rollstuhlfahrer, sondern auch Amputierte oder Personen mit einer Knieversteifung.

Die Einteilung erfolgt in die Kategorien A, B und C. Bei komplettem Querschnitt kann man die Einteilung leicht vornehmen:

Fechter der Klasse A besitzen noch vollständig intakte Rücken- und Bauchmuskulatur, meist sind sie noch in der Lage, auf den Beinen zu stehen oder sogar zu laufen.

Fechter der Klasse B besitzen keine vollständige Rücken- und Bauchmuskulatur mehr, haben aber keine Einschränkungen im Bereich Arme und Hände.

Fechter der Klasse C haben auch keine vollständige Funktion von Armen und Händen aufzuweisen.

Eine Klassifizierung von inkompletten Querschnitten, Amputierten etc. ist nicht so einfach wie oben beschrieben. Zur Einstufung wurde von einer Klassifizierungskommission ein Verfahren entwickelt, wonach durch fechtspezifische Funktionstests die Einteilung vorgenommen wird.